Super Halfs #1: Lissabon

Suchbild: Wer findet Marco und mich? (Das ist übrigens das Ziel. Alle Läufer:innen hinter der Zeittafel haben es offiziell noch nicht geschafft...)
Inhaltsverzeichnis

„Super Halfs“-Serie

Im letzten Jahr entdeckten meine Laufbuddies und ich im Zielbereich des Berliner Halbmarathons erfolgreiche Läufer:innen mit großen Medaillen. Mit sehr großen, hübsch anzusehenden Medaillen! Die Menschen hatten diese Medaillen neben der eher schnöden Auszeichnung vom Berliner Halbmarathon erhalten und um ihren Hals baumelnd. Unsere Neugierde war geweckt: was ist das für eine Medaille, wie bekommt man die!? Wir erfuhren, dass dies das Abzeichen der „Super Halfs“-Serie ist. Eine Halbmarathon-Serie, deren Läufe quer über Europa verteilt sind: Cardiff, Kopenhagen, Lissabon, Prag sowie Valencia. Und eben neu seit 2024: Berlin.

„Klingt cool!“, dachten wir uns. Und nahmen uns vor, diese Serie anzugehen. Ursprünglich gaben die Organisatoren das Zeitfenster von 60 Monaten (5 Jahre) aus, um alle Läufe zu meistern und sich damit die Medaille zu verdienen. Aber das haben die Ausrichter bereits kassiert. Es ist nämlich gar nicht so einfach, als interessierte Läufer:innen, einen Startplatz zu erhalten. Für den diesjährigen Lauf in Valencia habe ich zum Beispiel kein Startplatz mehr bekommen. Für den Lauf in Kopenhagen nächstes Jahr (!) im September (!!) warten wir noch auf die Losung…
Daher ist es nur sinnvoll, den Läufer:innen kein festes Zeitlimit mehr vorzugeben. Unseren ersten außer-deutschen Startplatz konnten wir uns für Lissabon sichern. Deswegen ging es nun, Anfang März, nach Portugal.

Lissabon

Die Vorfreude war groß. Leider schmolz unsere Vorfreude wie ein Eis in der warmen, portugiesischen Sonne je näher der Lauftermin rückte. Wobei dieser Vergleich in gewisser Weise hinkt – was vermutlich auch unser Problem war. Denn für Lissabon war keine Sonne vorhergesagt, sondern Regen, Wind und Temperaturen zwischen 10-12°C. Kühle Temperaturen sind für’s Laufen ja eigentlich ideal, insbesondere bei längeren Strecken wie einem Halbmarathon. Regen und Böen müssen aber nicht unbedingt sein. Und überhaupt: wenn man 4 Stunden für einen Lauf irgendwo hinfliegt, möchte man ja zugegeben mehr sehen als nur die Laufstrecke. Die Stadt zum Beispiel – und das möglichst trocken! Tatsächlich hatte die Sonne während unseres Besuchs auch ein kurzes Comeback. Dazu später mehr.

Während also in Berlin offenbar bestes Frühlingswetter war, versuchten wir in Lissabon das Beste aus der Situation zu machen. Wenn der Regen zu stark bzw. unangenehm für Sightseeing wurde, kehrten wir irgendwo ein. Sei es für ein, zwei Pastel de nata, Ginjinha oder ein, zwei Bierchen. Was man halt so als Sportler macht, ne?

Glücklicherweise kannte ich Lissabon bereits von einem vorherigen Besuch, so dass ich ein bisschen Reiseführer spielte und wir die wenigen, trockenen Momente für Sightseeing nutzen konnten. Das waren leider nicht so viele, denn es regnete wirklich oft – und das meist relativ heftig.

Als Bonus kam dann noch dazu, dass der Besuch von Marco und mir durch „höhere Kräfte“ verlängert wurde. Unser geplanter Flug am Sonntag, paar Stunden nach dem Lauf, wurde annulliert. Wegen des Streiks an deutschen Flughäfen. Der Ausweichflug war dann zwei Tage später am Dienstag geplant. Nun ja. Dem kurzen „das kann doch jetzt nicht war sein!!“, folgte dann die Einsicht, dass wir es eh nicht ändern konnten. Wir schauten voran, buchten ein neues Hotel für zwei weitere Nächte, klärten das mit dem neu zu nehmenden Urlaub und freuten uns auf die weiteren Tage in Lissabon, mit und im Regen.

Organisation des Laufes

Später kamen wir zu dem Schluss, dass es vielleicht ganz gut war, nicht am selben Tag zurückzufliegen. Der Halbmarathon in Lissabon war doch etwas anders organisiert, als wir es von deutschen Veranstaltungen gewohnt waren.

Hauptsächlich aus einem Grund:
Beim Lissabon Halbmarathon gab es zu viele Läufer:innen. Das beschreibt zugleich Problem als auch Ursache. Das ganze Wochenende über gab es keinen einzigen Ort in der Stadt, an dem man nicht Menschen in Laufschuhen begegnete. Diese Omnipräsenz hätten wir als schlechte Vorboten für einen überfüllten Lauf erkennen können. Doch statt uns Sorgen deswegen zu machen, fanden wir uns und die anderen Laufbegeisterten im Stadtbild eher amüsant als alles andere.

Spätestens am Morgen des Laufs sah die Sache für uns jedoch schon anders aus. Der Start des Rennens war bei der „Ponte 25 de Abril“-Brücke, auf der anderen Seite des Tejo-Ufers. Dies erreichte man nur mit einer speziellen Bahn. Die Taktung und Anzahl der Züge sah auf dem Papier gut organisiert aus. Leider entsprach das nicht der Realität. Die Züge waren notorisch überfüllt. Und ich meine voll, so richtig voll. Wir quetschten uns letztlich in einen Zug, in dem ein Franzose und ich gerade noch so als Letzte reinkamen. Die gesamte Fahrt über verbrachten wir beide gegen die Tür gedrückt. Null Chance auf „Personal Space“, geschweige freie Luft zum Atmen.

Das gleiche Spiel nur in anderer Form gab es dann beim Ziel. Das Ziel war beim Kloser „Mosteiro dos Jerónimos“, von dem nur ein Buslinie fuhr. Keine Chance auf ein Taxi oder Uber. Die vollen Bussen tingelten mehr als 20 Minuten zu einem Bahnhof, von dem man dann einen Zug zur Metro nehmen musste.

Die Ziellocation war in meinen Augen unfassbar schlecht gewählt. Der Platz vor der Kirche, bzw. Kloster, war nicht sonderlich groß und dann nicht einmal gänzlich dem Event vorbehalten. Verkehr und „Normalos“ durften da weiter passieren, als ob keine 30.000 Läufer:innen ins Ziel kämen. Oder viel mehr: ins Ziel laufen wollten. Denn Marco und ich mussten ungelogen keine 50m vor der Zielzeitmarke stoppen – weil es sich staute. Stau! Vor – VOR! – dem Ziel! Wir konnten es am Anfang gar nicht glauben und die Läufer:innen links und rechts neben uns ebenfalls nicht. Sportler:innen, denen die Zeit wichtig gewesen wäre, verloren so locker 1 Minute, wenn nicht sogar mehr. Man stand dicht an dicht und schob sich langsam stetig weiter. Die obligatorische Erfrischung und Medaille konnten wir nach 10 Minuten im Gänseschritt empfangen. Unfassbar.

Suchbild: Wer findet Marco und mich? (Das ist übrigens das Ziel. Alle Läufer:innen hinter der Zeittafel haben es offiziell noch nicht geschafft…)

der Lauf

„Aber wie war denn nun der eigentliche Lauf – herrgottszeitennochmal!?“, mag sich die eine oder der andere fragen.
In Summe war der Halbmarathon okay.

Der Start begann durchaus verheißungsvoll. Die „Ponte 25 de Abril“-Brücke mit der „Cristo Rei“-Statue im Hintergrund bot ein tolles Bild und vor allem eine großartige Atmosphäre. Sogar die Sonne ließ sich unerwartet blicken! Eigentlich hatten die Wettergurus Regen und Wind für den Lauf vorhergesagt. Zum Start des Laufs schaute die Sonne jedoch tatsächlich vorbei und blieb den Lauf über auch immer an unserer Seite. Oder vielmehr über unseren Köpfen.

Nachteil dabei: wir waren auf Regen und Wind eingestellt. Deswegen starteten wir mit warmen Laufklamotten. Kurz vor dem Start, mit den ersten Sonnenstrahlen, zogen wir zwar fix noch unsere langen Laufhosen aus. Gleichwohl wurden unsere Torsi weiterhin von dickeren, wind- und regendichten Laufklamotten geschützt. Während der ersten Kilometer schwitzte ich schon so stark, dass ich meine Laufjacke früh auszog, und diese netterweise in Marcos Laufweste stopfen konnte. Marco schwitzte unter seine Hightech-Jacke von Gore noch länger, bis Kilometer 10 etwa. Dann zog auch er sie aus. Was sich letztlich aber als zu spät herausstellte. Sein Körper war zu diesem Zeitpunkt bereits am Limit und erholte sich zudem nicht mehr richtig.

Liefen wir bis KM 10 noch in einer Pace-Range von 5:10-5:35, näherten wir zum Ende hin eher einem 7er-Schnitt. Am Ende hatten wir knapp eine 6:10 Pace. Was absolut okay war. Wir hatten eh beide keine wirkliche Zielzeit. Ich hätte vermutlich unsere erste Pace-Range das ganze Rennen halten können. Mir war’s jedoch wichtiger, dass wir den Lauf gemeinsam durchziehen, statt getrennt möglichen Zeiten hinterherzurennen – genau deswegen waren wir ja zusammen hergekommen.

Die Laufstrecke fiel insgesamt nach dem Start auch ab. Damit meine ich nicht nur das eigentliche Höhenprofil der Strecke, sondern ebenso die Qualität. Lissabon ist recht hügelig, mit vielen An- und Abstiegen. Nach der erhöhten Brücke verlief der Lauf jedoch fast ausschließlich auf flachem, tiefer gelegenem Gelände. Um solch eine Läufer:innen-freundliche Strecke gewährleisten zu können, mussten die Organisatoren die Wegführung fast ausschließlich auf Autobahnen und am (Industrie-)Hafen entlangführen. An diesen Straßen gab es dadurch aber leider fast keine Zuschauer. Erst in der Nähe des Ziels gab es dann vermehrt Menschen, die klatschten und applaudierten. Das war ein minimaler Stimmungsdämpfer. Bei all meinen Läufen in Deutschland gab es von der Straße eigentlich immer eine gute, meist großartige, Stimmung.

Sei es drum. Fremde Menschen, die einen mit ihrem Jubel das Ego streicheln, sind natürlich immer toll, aber letztlich nicht unbedingt notwendig. Eine coole Strecke reicht mir persönlich schon. Leider bot da Lissabon zu wenig. Die Stadtfläche ist nicht besonders groß und wegen der bereits angesprochenen topographischen Einschränkungen der Stadt und der daraus folgenden Streckenführung, liefen wir mehrere Straßen hin – und zurück. Lange Zeit ging es am Hafen entlang, das nicht unbedingt schön anzuschauen war. Die cooleren Teile von Lissabon liegen ja leider meist erhöht. Erst am Ende kamen wir wieder an hübscheren Dingen vorbei, zum Beispiel am Torre de Belém. Durch die mehrfachen „U-Turns“ sahen wir also immerzu die gleichen Dinge, es gab wenig Abwechslung und je nach Tempo schaute man zudem in die immer gleichen entgegenkommenden Gesichter.

Der zeitgleich stattfindende 10 Kilometer-Lauf half bei all diesen Einschränkungen und logistischen Herausforderungen sicherlich nicht. Denn durch den Parallellauf musste man sich nicht nur den Zieleinlauf mit den anderen Athlet:innen der anderen Disziplin „teilen“. Nein – auch die Laufstrecke war geteilt. Auf der rechten Straßenseite liefen Menschen ihre zehn Kilometer, auf der linken Seite wir unsere doppelt so lange Strecke. Dadurch war es mitunter so eng auf der Strecke, dass man nicht anständig laufen oder überholen konnte. Erschwerend kam außerdem hinzu, dass die Straßen nicht immer im idealen Zustand waren. Manchmal gab es mitten auf der Straße größere Schlaglöcher, die nicht markiert waren. Andere Straßen waren (horizontal) so abschüssig, dass man „schief“ lief. Und stellenweise tauchten plötzlich Leitpfosten-Halterungen auf, die eigentlich Fahrradweg abstecken sollten, nun allerdings knapp aus dem Boden ragten und ideale Stolperfallen gewesen wären…

Aber wir kamen sicher und gesund ins Ziel — nicht mit einer neuen Bestzeit, aber das war nie unser Anspruch. Hauptsache, der Spaß stimmte – und den hatten wir trotz allem. Denn der erste europäische Teil der „Super Halfs“-Serie war geschafft, allen Umständen zum Trotz.

Fazit

Mein Fazit zum Lauf-Wochenende: Lissabon ist absolut eine Reise wert. Nur vielleicht nicht zum Halbmarathon, wenn die Stadt an ihre logistischen Grenzen kommt. Denn der Lauf war eher so lala. Doch trotz des Dauerregens hatte ich Spaß mit Freunden, ich hatte mehrere Pastel de nata und leckeres Sea-Food und kühles Bier. Insgesamt kam ich auf meine Kosten. Was will man mehr?

Schauen wir mal, ob nächstes Jahr dann Kopenhagen ansteht? Dänemark im Herbst stelle ich mir sehr gemütlich vor!
(Und in zwei Wochen ist ja auch noch der Berliner Halbmarathon)

Die Laufstrecke interaktiv

Gesamtstrecke: 21275 m
Gesamtzeit: 02:10:16